Während er die Sache mit den Ringen erzählt, geht seine Goldfrau auf die Toilette. "Nicht schon wieder die Geschichte!" Die im Raum Versammelten lachen gemütlich. Zuneigung zu meiner Tante durchflutet mich. Auch zu ihm. Was war es, was ihn veränderte? Die 12jährige Enkelin tanzt eckig, verklemmt und mutig zugleich, mit perfektem Gefühl für den Rhythmus, für den Stil. Ihre 14jährige Schwester, schwarzgeschminkte Augen, blutroter Mund, schwarzes Samtband um den langen Hals, tanzt nicht, würde nicht rauchen, aus Prinzip. Doch da sammelt sich schon etwas in ihr, blitzt in ihren Augen, man kann es fast greifen. Ein neuapostolisches Manga-Mädchen. "Das alles wäre früher nicht gegangen," sagt mein Vater. Da war nur Saufen erlaubt. Der dicke Siegfried streicht dem Mädchen über den Kopf. Meine Nackenhaare stehen zu Berge. Hanna kreischt fröhlich in die Runde: "Also, wir waren nicht so brav wie ihr, vor der Ehe." Später kommen die Geschichten. Diese düsteren, zur Gegenwart hin lichteren Fäden eines Netzes, das mich gefangenhält. Der uneheliche Vater des dritten Enkels hat fast Tränen in den Augen. Tränen der Erleichterung. "Alle sind so herzlich. Das wäre früher nicht möglich gewesen." In mir erneuert sich ein Plan.
enhyloi - 30.10.2011